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Imago-Therapie und PBSP: Unbewusste Dynamik der Partnerwahl

Barbara Fischer-Bartelmann


Einleitung in Pesso-Bulletin 7/8:

Ein interessanter Ansatzpunkt für einen Brückenschlag zwischen Pessotherapie und Paartherapie ist die Imago Relationship Therapy von Harville HENDRIX. Im Zentrum seines Ansatzes steht das Verständnis von Paarbeziehungen als Ressource für emotionale Heilung und spirituelle Entwicklung. Das von ihm gegründete "Institute for Relationship Therapy" bietet zusammen mit vielen hundert PaartherapeutInnen Workshops für Singles und Paare an, die in den gesamten USA verbreitet stattfinden.


Gemeinsamkeiten in den Grundannahmen

Harville HENDRIX geht wie Al PESSO von der Grundannahme aus, dass sich bei der Steuerung unseres Verhaltens wahrgenommene Gegenwart und erinnerte Vergangenheit miteinander mischen. "Unmet needs don't go away"1, einer der Kernsätze von PBSP, entspricht eng HENDRIX' Grundannahme, dass bei der Partnerwahl der unbewusste Versuch bestimmend ist, Kindheitswunden zu heilen. In einem Versuch der ersatzweisen Befriedigung von Grundbedürfnissen, wie PESSO es nennen würde, wird eine ganz bestimmte Konstellation von Eigenschaften (definiert in dem inneren Urbild der sogenannten "Imago") im Partner gesucht und sorgt dafür, dass man sich in einen bestimmten Menschen (-Typ) verliebt.

Partnerwahl als Wurzel der Paardynamik: Die "Imago"

Mit diesem Partnerprofil erklärt HENDRIX sowohl das spezielle Angezogensein in der Verliebtheitsphase als auch die besondere Gereiztheit und Verwundbarkeit in konflikthaften Zeiten der Beziehung: Oft sind es ja dieselben Eigenarten des Partners, die zunächst als besonders interessant und bereichernd, dann aber als störend und belastend wahrgenommen werden. Warum dies so ist, wird in der ImagoTherapie sehr plausibel gemacht und soll unten detaillierter dargestellt werden. Können in der Therapie die entsprechenden Erwartungen beider Partner bewusst gemacht und in ihrer spezifischen Verschränkung miteinander deutlich werden, ergibt sich ein sehr vollständiges und tiefes Bild der Beziehungsdynamik, das sowohl vom systemischen Blickpunkt der Homöostase als auch vom analytischen Konzept der Kollusion her verstehbar ist. Es bildet eine hervorragende Grundlage, um Veränderungsschritte in ihrer jeweiligen subjektiven Bedeutsamkeit als auch in ihrer gegenseitigen Bedingtheit zu verstehen. So wie in der Passung der beiden Imagos die Wurzel von Verliebtheit wie Krise steckt, so ist darin auch der Schlüssel zu einer tieferen, reiferen Liebe und aufeinander bezogenen Persönlichkeitsentwicklung zu finden.

Imago und Beziehungserfahrungen mit den Eltern

Was sind denn nun die bestimmenden Bestandteile der "Imago", so wie HENDRIX sie vorstellt? Ihre Wurzeln hat sie in den Kindheitserfahrungen mit unseren engsten Bezugspersonen (i.d.R. Eltern). Wir verlieben uns in jemand, der vor allem viele für uns essentielle positive wie negative Eigenschaften mit diesen Bezugspersonen gemeinsam hat. Treffen wir auf einen solchen Partner, so werden die alten Gefühle von Zuneigung und Abhängigkeit, vor allem aber auch die alten Sehnsüchte und unerfüllten Bedürfnisse wieder aktiviert - zunächst in der Hoffnung, diesmal zu einer befriedigenden Lösung dieser unerledigten Themen zu gelangen, daher das Gefühl der Vertrautheit und Verliebtheit. Solange die Idealisierung anhält und auch nicht allzuoft enttäuscht wird, da noch beide bestrebt sind, den Partner für sich zu gewinnen und ihm zu gefallen, scheint sich diese Erwartung auch zu erfüllen: Endlich gelingt es uns, von jemand, der den Eltern gleicht, doch noch das zu erhalten, was wir von ihnen erhofften aber nicht bekamen. Je mehr aber das anfängliche Bemühen nachlässt und dahinter der Wunsch Raum greift, ohne Anpassungsbemühungen so angenommen zu sein, wie man wirklich ist, desto mehr Enttäuschungen geschehen. Diese erneuten Frustrationen der kindlichen unerfüllten Bedürfnisse sind aber besonders schwer zu ertragen, weil sie genau in die Wunde der alten Verletzungen treffen und auf diese Weise auch die dazugehörigen starken negativen Gefühle und die alten kindlichen Bewältigungsweisen dieser Emotionen wieder wachrufen. Hierin liegt der Grund, dass gerade diejenige Person, in die wir uns verliebt hatten, auch in der Lage ist bzw. es gar nicht vermeiden kann, uns besonders tief zu treffen und zu besonders irrationalen Verhaltensweisen zu provozieren.

Imago und unintegrierte Persönlichkeitsanteile

Eine besondere Rolle spielen als Bestandteil der Imago zusätzlich diejenigen Seiten unserer Persönlichkeit, die wir im Laufe unserer Sozialisation unterdrückt und durch die Maske eines "falsches Selbst" ersetzt haben. Diese unterdrückten Anteile, das ungelebte, "verlorene Selbst" wird als Ergänzung des unbewusst empfundenen Mangels oder Vakuums im Partner gesucht, auf ihn projiziert oder delegiert: Er soll oder darf das leben, was wir selbst nicht verwirklicht haben, und in der Identifikation damit finden wir indirekt einen Weg, diese Anteile unserer selbst nun doch noch lebendig werden zu lassen, wenn auch in Stellvertretung durch den Partner. Auch dieser unbewusste "Partnerschaftsvertrag" trägt zunächst zur Attraktivität des Partners und zu unserem Gefühl des Angezogenseins bei, hat aber ebenso wie die oben dargestellten Übertragungsphänomene das Potential in sich, ins Gegenteil umzuschlagen: Wären die dem Partner delegierten Eigenschaften in unserer inneren Dynamik nicht als negativ, unerlaubt, gefährlich beurteilt, so hätten wir keinen Grund, sie nicht in uns selbst zu integrieren. Die negativen Über-Ich-haften Urteile, die ursprünglich intrapsychisch zur Unterdrückung dieser Selbstanteile führten, können in der Paarbeziehung nun interpsychisch zu gegenseitigen Verurteilungen und Schuldzuweisungen werden im Bestreben, die "unerlaubten" Anteile nun im Partner zu unterdrücken. Zusätzlich richten sich diese Vorwürfe noch auf einen weiteren Teil, der zur Imago gehört: auf die verleugneten negativen Anteile des falschen Selbst, also die Schattenseiten der von uns angenommenen Persona (häufig den verletzenden Anteilen der Eltern ähnlich). Auch diese spielen bei der Partnerwahl eine Rolle und werden im Partner ausgewählt, auf ihn projiziert oder in ihm provoziert.

Therapeutische Strategie der Imago-Therapie

Es lohnt sich, HENDRIX' Methode der Paartherapie nachzulesen - er arbeitet mit Imaginationsübungen und Selbstreflexionsblättern zur Bewusstmachung der jeweiligen Imagos und mit hierarchisierten Verhaltensänderungen bzw. Paarverträgen zur Veränderung der tatsächlichen Interaktionen. Die Besonderheit seines Ansatzes liegt darin, dass er auf der Basis der Imago eine heilende Beziehung herzustellen anstrebt, in der die Befriedigung kindlicher Bedürfnisse des Partners und die Integration abgespaltener eigener Persönlichkeitsanteile so ineinander verwoben wird, dass Geber wie Empfänger davon profitieren. Im gegenseitigen Einverständnis kann sowohl kontrollierte Regression als auch schrittweise Progression stattfinden, und sich gegenseitig motivieren und ermöglichen. Die Imago kann so verstanden und umgesetzt von der Konfliktquelle zur Ressource werden, da sie genau diejenigen Partner miteinander verbindet, wo diese Schritte in genau dieser Gegenseitigkeit und Verwobenheit möglich sind und tatsächlich eine Heilung der Kindheitswunden - sowohl der unerfüllten Bedürfnisse als auch der ungelebten Anteile - in der Paarbeziehung stattfinden kann.

PBSP und Imago-Therapie im Vergleich

Die therapeutische Strategie der Pesso-Therapie ist eine andere als die der Imago-Therapie. Zwar stimmen die Ziele überein, namentlich die Befriedigung von Entwicklungsbedürfnissen einerseits und die Integration von ungelebten Persönlichkeitsanteilen und die Realisierung des persönlichen Potentials andererseits. Aus der Sicht von PBSP würde aber als problematisch angesehen, dass HENDRIX die Partner sozusagen dazu ermutigt, füreinander die Rolle Idaler Eltern zu spielen, und dass die Befriedigung der Bedürfnisse auf realer und nicht auf symbolischer Ebene geschieht, also insbesondere nicht in der zugehörigen Altersstufe und nicht im Rahmen der passenden Verwandschaftsbeziehung, wie dies in der Heilenden Szene einer Struktur geschieht. Diese Kritik wird in gewissem Ausmass dadurch abgemildert, dass in der Imago-Therapie das Eingehen auf die entwicklungsgeschichtlich bedingten Wünsche des Partners im Bewusstsein dieser Motivation und im Verständnis für ihre subjektive Bedeutsamkeit geschieht. Implizit wird somit eine Art symbolischer Ebene in die Paarbeziehung eingeführt. Die Methodik der Pesso-Psychotherapie tut dies jedoch klarer und direkter und ist ingesamt eher dazu geeignet, die Paarbeziehung von Übertragungen und Projektionen zu entlasten, anstatt sie als "Bühne" zu benutzen.2 Dennoch werden viele der von HENDRIX dargestellten Zusammenhänge einer PessoTherapeutin vertraut vorkommen. Sie bringen viele Einzelphänomene, denen wir in Strukturen begegnen, in einen systematischen Zusammenhang. Diagnose, Genese und Perspektive für Paarkonflikte werden von der Imago-Therapie in ein umfassendes Modell zusammengefasst auf der Basis einer theoretischen Grundorientierung, die mit der Pesso-Therapie gut integrierbar ist und einen Verständnisrahmen für die Bedeutung einzelner Strukturen für die Paardynamik bieten kann. Andererseits erlaubt uns die Strukturarbeit, einzelne Aspekte der Imago noch differenzierter sichtbar zu machen und zu benennen, was im letzten Teil dieses Artikels geschehen soll.


Einleitung in Pesso-Bulletin 11:

Der erste Teil des folgenden Artikels, in dem hauptsächlich die Imago-Therapie von Harville HENDRIX vorgestellt wurde, erschien im Bulletin 7/8. Grundgedanke seines Ansatzes ist, dass Paarkonflikte auf die Grunddynamik der Beziehung zurückgeführt werden, die bereits bei der Partnerwahl grundgelegt ist. Bei dieser spielen unbewusste Motive eine wesentliche Rolle, namentlich die Befriedigung von unerfüllten Entwicklungsbedürfnissen einerseits und die Integration von ungelebten Persönlichkeitsanteilen und die Realisierung des persönlichen Potentials andererseits. Mit Hilfe der theoretischen Grundlagen der Pesso-Therapie lassen sich viele Phänomene der Partnerwahl noch sehr viel differenzierter beschreiben. Im folgenden werden zunächst die Grundelemente der Imago (des Urbilds der Partnerwahl) in PBSP-Begriffe übersetzt und ihr Sichtbarwerden in PBSP-Strukturen beschrieben, dann zusätzliche interessante Paar-Konstellationen aus Sicht der PessoTherapie dargestellt.

Anders als die Imago-Therapie sieht die PessoTherapie den Schlüssel zu einer Auflösung der resultierenden Paarkonflikte nicht in einer geschickten Verschränkung verhaltensnaher Kontrakte in der jetzigen Beziehung, sondern in der Auflösung der unerledigt gebliebenen Entwicklungsaufgaben in der hypothetischen Vergangenheit, in Interaktion mit Idealen Eltern in der Antidotszene. Diese wird bei jeder Konstellation jeweils in ihren Grundzügen beschrieben. Durch diese therapeutische Arbeit wird die Paarbeziehung von Übertragungsphänomenen und Projektionen entlastet. Die Bedürfnisse werden nicht länger auf die Paarbeziehung verschoben, sondern im richtigen Alterskontext und in der richtigen Verwandschaftsbeziehung erfüllt, was einen dauerhafteren Effekt verspricht. Gleichzeitig werden damit die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auf der Basis der resultierenden Integration und Reifung die Beziehungsfähigkeit unwillkürlich in derselben Weise wachsen wird, wie HENDRIX dies durch seine Methoden anstrebt.

Bestandteile der "Imago" (des Vorbildes der Partnerwahl):

Der Partner besitzt


Imago-Therapie und PBSP: Unbewusste Dynamik der Partnerwahl

PBSP: Aspekte von Elternfiguren als Faktoren der Partnerwahl

Die von HENDRIX herausgearbeitete Bedeutung der positiven oder negativen Eigenschaften, die Partner und Eltern (zumindest in der Wahrnehmung des Protagonisten) miteinander gemeinsam haben, für die Partnerwahl wird auch in der Strukturarbeit häufig sichtbar. Die negativen oder auch positiven Aspekte des Partners, die in der Wahren Szene dargestellt werden, können häufig im weiteren Verlauf der Struktur in Verbindung gebracht werden mit positiven oder negativen Aspekten der Realen Eltern in der Historischen Szene. Sowohl unausgedrückte negative Gefühle als auch unausgedrückte Liebe können dann in den ursprünglichen Zusammenhang gestellt und mit Hilfe haltender Figuren den entsprechenden Aspekten der Realen Eltern gegenüber zum Ausdruck gebracht werden, was zu einer deutlichen Entlastung der Paarbeziehung führt.

Übertragungseffekte und ihre Entwicklung in einer PBSP-Struktur

Wahre Szene Historische Szene Antidot
Geliebter Aspekt des Partners Geliebte Aspekte der Realen Elternfiguren Ideale Elternfiguren
Gelieber Aspekt des Partners in Kontrast zu... ... negativen Aspekten der Realen Elternfiguren Definitionsmerkmale Idealer Eltern
Negativer Aspekt des Partners Negative Aspekte der Realen Elternfiguren Definitionsmerkmale Idealer Eltern
Befürchteter Aspekt des Partners Negative Aspekte der Realen Elternfiguren Definitionsmerkmale Idealer Eltern
Idealer oder Traumpartner Positive Partialfiguren Ideale Elternfiguren
Zusätzlich arbeitet Al Pesso gelegentlich mit der Figur des "Idealen Partners" (ich ziehe der Klarheit wegen die Definition "Traumpartner" vor, da diese Rolle im Gegensatz zu andern Idealen Figuren in der Struktur nicht zur Erfüllung von Bedürfnissen sondern ausschliesslich zu deren Exploration dient). Häufig stellt sich bei der Arbeit mit dieser Figur heraus, dass die auf sie gerichteten Bedürfnisse eigentlich nicht in eine erwachsene Paarbeziehung, sondern in eine kindliche Altersstufe gehören und so wesentliche Definitionsmerkmale der Idealen Eltern beschreiben und zu diesen hinführen. Auch wenn positive Aspekte im Partner im bewussten Kontrast zu den Realen Eltern gewählt wurden und aus diesem Gegensatz ihre subjektive Bedeutsamkeit beziehen, kann diese Information zu Definitionsmerkmalen der Idealen Eltern führen.

In all diesen Fällen werden die Entwicklungsbedürfnisse letztendlich zu der Altersstufe hin verfolgt, in der sie unerfüllt geblieben sind, und ihre symbolische Befriedigung kann durch diejenige Person geschehen, die in den entsprechenden Alterskontext gehört, und auf die sich die entsprechenden Impulse ursprünglich gerichtet haben. Entsprechend dem Grundpostulat der Pesso-Therapie, dass die Bedürfnisse in der richtigen Altersstufe und im Rahmen der richtigen Verwandschaftsbeziehung befriedigt werden müssen, ist hiervon auch eine dauerhaftere Entlastung zu erwarten als von der weiterhin nur stellvertretenden Interaktion mit dem Partner anstelle der Eltern, die es nicht erlaubt, das Thema wirklich abzuschliessen.

PBSP: Unintegrierte Anteile als Faktoren der Partnerwahl

"Verlorenes Selbst"

Der von HENDRIX "verlorene Selbst" genannte Aspekt der Partnerwahl (die Projektion ungelebter eigener Anteile auf den Partner und/oder deren Kompensation durch ihn) kann im Rahmen von PBSP mit dem Thema Platz und Validierung in Zusammenhang gebracht werden, vor allem aber mit dem Konzept der zweiten Entwicklungsaufgabe: der Integration der genetischen Polaritäten. Unintegrierte Anteile zeigen sich im Rahmen einer Struktur beispielsweise in Kritischen, Verbietenden oder Warnenden Stimmen oder Stimmen der Negativen Vorhersage oder Abspaltung. Gelegentlich richten sich diese Verbote oder die Kritik zunächst, in der Wahren Szene, auf den Partner bzw. die von ihm gelebten und im Selbst abgelehnten Teile. Im weiteren Verlauf der Struktur kann häufig deutlich werden, dass sie sich in ihrem Ursprung auf die entsprechenden unintegrierten Anteile des Selbst beziehen und häufig, manchmal im Wortlaut, von den Realen Eltern stammen. Im Gegensatz dazu können Ideale Elternfiguren konstruiert werden, die die entsprechenden Impulse in sich selbst und in ihre Beziehung integriert hätten. Sie wären auch dazu in der Lage gewesen, diese Anteile im Kind zu erkennen, zu benennen, wenn nötig zu begrenzen und insgesamt zu validieren. So hätten sie deren Integration in die Gesamtpersönlichkeit unterstützt.

Wenn der eine Partner A den bisher an Partner B delegierten Pol b der jeweiligen Polarität zu integrieren beginnt, vermindert allein dies schon den systemischen Druck auf den Partner B, diesen Pol stellvertretend auszuleben, erleichtert also auch für diesen die Integration beider Seiten. Seinerseits von der Festlegung auf Pol b befreit, kann er seinen eigenen Pol a integrieren und wird diesen nicht mehr im Gegenzug auf seinen Partner A projizieren. Dieser systemische Zusammenhang kann in Paarstrukturen in der komplementären Entsprechung von negativen Partneraspekten und den damit verbundenen Stimmen bzw. Aspekten der Realen Eltern deutlich sichtbar werden. Seine Auflösung, von HENDRIX wieder in der realen Paarbeziehung angezielt, wird wesentlich erleichtert durch das Antidot von Idealen Eltern, die sowohl in sich als auch in ihrer Paarbeziehung jeweils beide Pole willkommengeheissen hätten und dies ebenso bei jedem der Partner in deren jeweiliger Struktur tun würden. Hiermit wären sie Vorbild eines annehmenden Umgangs mit den kritisierten Anteilen sowohl im Selbst als auch in der Beziehung zum Partner.

"Falsches Selbst"

Das von HENDRIX "falsche Selbst" genannte Phänomen würde man in PBSP als Anpassung an die Interaktionserfahrung mit einer Gegen-Form (Countershape) verstehen: das Annehmen einer Form, die der antizipierten, nicht passenden Interaktion entspricht. Im Rahmen einer Struktur tauchen dann Stimmen auf, die man auch als Stimmen der Überlebensstrategie verstehen kann ("Nur wenn du dies und das tust, bzw. unterlässt, wirst du geliebt, darfst du existieren"), und denen sich der Klient fügt, in der Regel im Widerspruch zum Wahren Selbst (Soul). Diese mit Selbstverleugnung erkaufte Fassade in der Paarbeziehung aufrechtzuerhalten bedeutet für den Betroffenen aber eine ständige, zudem oft angstmotivierte psychische Anstrengung, die kaum dauerhaft durchzuhalten ist. Auf längere Sicht führt sie zu einem Groll auf den Partner, auf den der Ursprung der internalisierten Kritik bzw. der antizipierten Ablehnung der unterdrückten Teile projiziert wird. Oft entspricht die vermeintliche Anpassungsforderung gar nicht den wahren Bedürfnissen oder Erwartungen des realen Partners. Zudem schlagen in dessen Erleben die überangepassten, anfangs in der Tat oft positiv erlebten Züge im Lauf der Beziehung oft um. Was zunächst anziehend wirkte, wird wegen seines unintegrierten, starren und "unechten" Charakters auf die Dauer als störend, aufdringlich empfunden. Auf seiner Seite haben die entsprechenden Eigenschaften zudem oft Zusammenhänge mit Negativen Aspekten seiner Realen Eltern. Obwohl also eigentlich beide Partner davon profitieren würden, wenn die Anpassung an die verbietenden Stimmen oder Überlebensstrategie aufgegeben würde, besteht aber tragischerweise oft eine grosse Angst, sich mit den wahren Bedürfnissen zu zeigen. Stattdessen bleibt der Glauben, für den anderen nur aufgrund dieser Überlebensstrategien attraktiv zu sein, und vom Partner wird dieselbe Kritik oder Abwertung befürchtet, wie sie von den Realen Eltern kam (daher ist es manchmal nützlich, eine Figur des Befürchteten Partners einzuführen). Ideale Eltern hätten diese Ver-Formung nie verlangt oder gefördert, sie können zum Urbild dessen werden, dass man mit seinem wahren Selbst mit anderen Menschen im Kontakt stehen, ja sogar geliebt werden kann. Nur mit einem inneren Bild dieser prinzipiellen Möglichkeit ist es denkbar, dasselbe auch mit dem Partner für lebbar zu halten.

Unintegrierte Anteile und ihre Entwicklung in einer PBSP-Struktur:

Die Existenz solcher Anteile kann sich zeigen in

Diese Stimmen richten sich

  1. oft zunächst auf den Partner
  2. eigentlich aber auf das Selbst
  3. und führen letztendlich zu Negativen Aspekten Realer Historischer Figuren
  4. aus denen sich Definitionsmerkmale Idealer Eltern ableiten lassen

PBSP: Zusätzliche theoretische Konzepte zum Verständnis von Paarkonflikten

Seelenprojektion (Soul Projection)

Eine extreme Form des Umgehens mit ungelebten eigenen Anteilen ist die der Soul-Projection (Seelenprojektion). Auch dieses Phänomen ist bei der Partnerwahl anzutreffen: Anteile, die in der eigenen Vergangenheit als nicht überlebensfähig erfahren wurden (wie z.B. Bedürftigkeit, Zartheit, Unschuld), werden auf die Partnerin projiziert und/oder eine Partnerin mit sehr ausgeprägten entsprechenden Anteilen ausgewählt. Eine eine solche Konstellation ermöglicht es, selbst für die Erfüllung dieser Bedürfnisse bzw. für den Schutz dieser Eigenschaften in der Partnerin sorgen zu können und stellvertretend an der resultierenden Befriedigung teilzuhaben. Weitere Anzeichen einer Seelenprojektion sind eine spezielle Qualität von bewundernder, fast religiöser Ehrfurcht dem Ziel der Projektion gegenüber und das extreme Gefühl, man würde im Falle eines Partnerverlusts mit der Partnerin die eigene Lebendigkeit verlieren. Neben diesen übertriebenen Ängsten um die Partnerin ist ein weiterer Preis dieser Partnerwahl ist, dass diese Anteile in der eigenen Person weiterhin völlig abgespalten bleiben und gelegentlich ein verdeckter Machtkampf dahingehend entsteht, die Partnerin daran zu hindern, aus ihrer Rolle zu entkommen, also ihrerseits Eigenschaften zu leben, die mit der ihr zugewiesenen Rolle unvereinbar wären. Der Behandlungsstrategie bei Seelenprojektion entsprechend sind Ideale Eltern vonnöten, die zunächst einmal einen sicheren Ort schaffen, wo der projizierte Seelenanteil überleben könnte. Nur unter dieser Voraussetzung kann dieser wieder zurückgeholt und mit dem Segen der Idealen Eltern wieder angeeignet werden. Bei dieser Konstellation muss allerdings von Seiten beider Partner mit stärkerem Widerstand gerechnet werden. Für denjenigen, der die Seelenprojektion vollzogen hat, bedeutet deren Bewusstwerdung die Konfrontation mit tiefen Ängsten. Die Person, die das Ziel der Projektion war, befindet sich in einer stark idealisierten Position und zieht daraus möglicherweise auch erheblichen Gewinn. Und bei der Rücknahme der Projektion stellt sich die Frage, was an Attraktion dann noch übrig bleibt und die neue Homöostase ist weniger offensichtlich als im Fall der Integration von Polaritäten.

Unbegrenzte und Magisch omnipotente Anteile

Extrem asymmetische Paarbeziehungen mit einem starken Anteil unintegrierter Persönlichkeitsanteile an der Imago können aus unbegrenzten Anteilen entstehen, speziell bei magisch omnipotenten männlichen oder weiblichen Anteilen. Häufig wird ein Partner gewählt, der dieser Inflation entweder Raum lässt oder sogar die "passend" gegenteilige Omnipotenz aufweist, so dass dem je eigenen magisch omnipotenten Anteil keine Konkurrenz entsteht. Die Kombination von magisch omnipotenter Verletzlichkeit oder Empfänglichkeit (Weiblichkeit) bei dem einen Partner und magisch omnipotenter penetrierender Kraft (Männlichkeit) beim anderen kann beispielsweise einen Verständnishintergrund bieten für SadoMasochistische Beziehungen und für deren zunächst oft überraschende Stabilität. Eine ähnliche Kombination wäre z.B. eine magisch omnipotent nährende Partnerin und ein unbegrenzt "hungriger" Partner. Auch hier findet sich eine überraschende Beständigkeit der Beziehung ungeachtet der von aussen wahrgenommenen Ungerechtigkeit. Dies steht im Widerspruch zu allen verhaltenstherapeutischen Modellen von Reziprozität in der Paarbeziehung, es sei denn, man weitet dieses Konzept auch auf die Befriedigung unbewusster Motive aus. Da diese unbegrenzten Anteile beständig in der Gefahr stehen, sich gegenseitig erneut zu provozieren, ist es unerlässlich, bei beiden Partnern mehr oder weniger gleichzeitig mit Begrenzung zu arbeiten.

Eine Konkurrenz um den entsprechenden psychologischen Raum (zwei ähnliche omnipotente Anteile) oder Widersprüche zwischen psychologischer und biologischer Geschlechtspolarität erzeugen intensive Machtkämpfe und intra- und interpersonale Konflikte, die mit rein verhaltensorientierten Methoden, wie HENDRIX sie anwendet, wohl nicht aufzulösen sind. Nicht nur die Wurzeln dieser Konflikte sind meist vollständig unbewusst, auch die daraus resultierenden Handlungen sind den bewussten Wünschen so entgegengesetzt, dass sie dem einzelnen Partner unverständlich bleiben müssen, wenn sich nicht mit Hilfe der speziellen therapeutischen Mittel und theoretischen Konzepte der Pesso-Therapie eingeordnet werden können. Ein magisch onmipotenter innerer Anteil, der dem biologischen Geschlecht entgegengesetzt ist, kann dann zu einer stabilen Beziehung führen, wenn ein Partner mit der genau entgegengesetzten Struktur gewählt wird (männliche Frau und weiblicher Mann). Ist dies nicht der Fall, so wird der innere gegengeschlechtliche Teil die Beziehung zu einem realen äusseren immer wieder sabotieren, was es schwierig macht, längerfristig stabile Beziehungen einzugehen. Hat beispielsweise die Partnerin einen magisch omnipotenten männlichen Teil, so wird dieser unbewusst den realen männlichen Partner "eifersüchtig" als Konkurrenten empfinden und ihn daher in analoger Weise bekämpfen, wie wir dies in Strukturen in diesem Fall häufig bei der Einführung des Idealen Vaters oder des Idealen Partners der Realen Mutter erleben. Die eigentliche Sehnsucht besteht aber darin, dass diese Figuren ihrer Bekämpfung standhalten und damit den magisch omnipotenten inneren Teil begrenzen. Erst dann kann er, als dann nur mehr symbolischer männlicher Teil, integriert werden, so dass dann für einen realen männlichen Gegenüber psychologischer Raum bleibt.

Entitäten

Eine ähnlich Dynamik finden wir bei dem neuesten theoretischen Konzept von Al PESSO, den Entitäten. Den magisch omnipotenten inneren Anteilen ähnlich sabotieren sie auf unbewusste Weise die Bedürfnisbefriedigung von aussen. Entwicklungsgeschichtlicher Hintergrund dieser Entitäten ist die Wahrnehmung von Defiziten bei Eltern oder anderen engen Bezugspersonen ("Holes in Roles"). Diese Wahrnehmung mobilisiert vorzeitig die versorgenden Anlagen im Kind, die es bei normalem Entwicklungsverlauf erst später als erwachsener Partner oder Elternteil ausleben würde. Das Mitgefühl mit den bedürftigen Eltern (oder Geschwistern, beispielsweise einem behinderten Bruder) ist aber so stark, dass das Kind bereitwillig für sie Eltern- oder Partnerfunktionen übernimmt. Der Preis hierfür ist nicht nur - wie bei magisch omnipotenten inneren Vater- oder Mutteranteilen - der unbegrenzete und '"eifersüchtige" Charakter dieser Teile, sondern noch umfassender: Da das Kind vor allem um die Befriedigung der Bedürfnisse anderer besorgt ist, verliert es den Kontakt zu seinen eigenen Bedürfnissen, zu seiner Seele. In der Paarbeziehung kann dies zu Konstellationen führen, die sehr stark an das Kollusionskonzept von WILLI erinnern: der progressive Partner bzw. dessen Entität nimmt die versorgende, die Elternposition ein; der regressive Partner benutzt die Beziehung als eine Art Struktur in der Realität und versucht, die unbefriedigt gebliebenen Kindheitsbedürfnisse vom Partner als Ersatzmutter oder -vater erfüllt zu bekommen. Während der regressive Partner unter der Einseitigkeit dieser Konstellation eher zu leiden beginnt, weil er sich die ganze Zeit in der Schuld des anderen fühlt ("Geben ist seliger denn Nehmen"), ist bei dem Partner mit der Entität weniger Veränderungsmotivation zu erwarten: Entweder er hat keinen Zugang zu seinen Bedürfnissen, oder er verbindet sie mit schlechtem Gewissen. Schliesslich war für ihn immer die Versorgung anderer vorrangig. In der PBSP-Arbeit wird der Schlüssel zu dieser psychischen Struktur darin gesehen, dass Ideale Eltern, Partner etc. zunächst nicht für den Protagonisten, sondern für die bedürftigen Personen aus der Ursprungsfamilie eingeführt werden. Sie übernehmen nicht nur deren Versorgung, so dass der Protagonist von dieser Verpflichtung befreit ist, sie begrenzen auch seinen anfangs immer noch vorhandenen Impuls, diese Aufgabe zu übernehmen. Hierdurch wird er dazu befreit, wieder in Kontakt mit seinem wahren Selbst und den unerfüllt gebliebenen eigenen Bedürfnissen zu kommen und deren Befriedigung durch Ideale Eltern für sich selbst anzunehmen. Diese Erfahrung kann dann zum Vorbild dafür werden, eigene Wünsche wahrnehmen zu dürfen und Versorgung durch jemand anderen annehmen zu können, was sich auch auf die Paarbeziehung auswirken wird.

Weitere PBSP-Konzepte zu unintegrierten Anteilen, die zu Paarkonflikten führen können


Barbara FISCHER-BARTELMANN


HENDRIX, Harville: Getting The Love You Want: A Guide For Couples. New York 1988
HENDRIX, Harville: Keeping The Love You Find: A Guide For Singles. New York 1992
PESSO, Albert: Holes in Roles. Unveröffentliche Vorträge im Rahmen von Workshops
WILLI, Jürg: Therapie der Zweierbeziehung. Reinbeck bei Hamburg 1978